Völkerverständigung mit der Bratwurst

Badische Zeitung | 15.06.2020 von Petra Wunderle

„Völkerverständigung mit Bratwurst“

 

BZ-INTERVIEW mit Vanessa Edmeier, Geschäftsführerin der Hochrheinkommission, zur Auszeichnung für vorbildliche Bürgerbeteiligung.

 

Im Februar hat Vanessa Edmeier, Geschäftsführerin der Hochrheinkommission (HRK), die Auszeichnung des Bundeswettbewerbs für vorbildliche Bürgerbeteiligung von Umweltministerin Svenja Schulze erhalten. Mit ihrem Einsatz für "Vorbildliche Bürgerbeteiligung" setzte sich die HRK gegen Großstädte wie Hamburg und Köln durch. Die Stärkung des europäischen Zusammenhalts, der offene Dialog und das aktive Zuhören der Politik waren wesentliche Punkte für die Prämierung. Petra Wunderle hat sich mit Vanessa Edmeier unterhalten.

 

BZ: Frau Edmeier, Sie leben einen grenzüberschreitenden Dialog par excellence, was fasziniert Sie an dieser Aufgabe?

Edmeier: Mich begeistern die verschiedenen Ebenen, auf denen wir uns als deutsch-schweizerische Kommission bewegen. Die Kernidee ist ja, die Grenzregion gemeinsam zu gestalten – trotz der EU-Außengrenze. Oder anders gesagt: Wir wollen eine gute Nachbarschaft. Dafür brauchen wir einen stetigen Austausch zwischen der Politik und Verwaltung. Wir fördern aber auch das Miteinander auf Ebene der Bürgerinnen und Bürger – quasi ,Völkerverständigung mit der Bratwurst’. Denn so entsteht Gemeinschaft, das Interesse am Gegenüber und schlussendlich ein Miteinander. Wir bekommen einmal im Jahr Besuch von jungen Diplomaten aus der ganzen Welt – von Äthiopien bis Israel. Die Besucher beneiden uns dafür, dass wir nicht auf Nato-Stacheldraht, sondern auf eine gemeinsame Rheinlandschaft blicken.

 

BZ: Welche Kontakte pflegen Sie beruflich und privat in die Schweiz?

Edmeier: Wir pflegen ein sehr vielfältiges Netzwerk. Die staatlichen Stellen sind unsere wichtigsten Partner, das heißt Gemeinden, Planungsverbände und die Kantone. Da wir sinnvolle Projekte für die Region auf die Beine stellen wollen, pflegen wir auch viele fachliche Kontakte, etwa im Stiftungsbereich zur Schweizer Stiftung Movetia – eine tolle Stiftung, die unter anderem den Austausch von Kindern, Jugendlichen und Schulen unterstützt. Im Bereich Tourismus sind etwa die Naturparks Südschwarzwald und Schaffhausen sowie der Jurapark Aargau wichtige Kooperationspartner. An dieser Stelle ein grenzüberschreitender Ausflugtipp: Die "Dreipärke-Radtour" ist eine schöne Möglichkeit, alle drei Parks wortwörtlich mit dem Velo zu ,erfahren’. Privat verbinden mich, wie wahrscheinlich viele in der Region, Verwandtschaften und Freundschaften mit der Schweiz.

 

BZ: Was bedeutet der Preis für Sie?

Edmeier: Die Auszeichnung hat die HRK für ihre drei Bürgerdialoge mit zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern erhalten. Wir sind sehr dankbar, auf Bundesebene eine solche Anerkennung zu erhalten. Und die gibt uns nun Rückenwind, Themen auch weiterhin anders und innovativ anzugehen. Denn wie schafft man Dialoge, bei denen aktiv zugehört wird und man das Gegenüber nicht gleich in eine Schublade packt? Die Schubladen ,die Schweizer’ und ,die Deutschen’ sind ja leider weit verbreitet. Wie wecken wir die Freude am Miteinander? Wie können wir, mit Wertschätzung für die aktuelle Arbeit von Politik und Verwaltung, neue Ideen der Bürgerschaft einflechten? Wir denken unsere Veranstaltungen vom Menschen her. Was erst mal einfach klingt, hat es ganz schön in sich.

 

BZ: Die Corona-Krise hat die Grenzen für eine Zeit geschlossen, was hat das Ihrer Meinung nach bewirkt?

Edmeier: Ich glaube, die Wertschätzung für offene Grenzen in Europa ist sprunghaft gestiegen – gerade bei jungen Menschen, die ohne Grenzkontrollen aufgewachsen sind. Bei mir persönlich ist der Respekt für staatliches Handeln, aber auch die Fehlertoleranz gewachsen. Es ist eine anspruchsvolle und komplizierte Aufgabe, die verschiedenen staatlichen Ebenen zu lenken: von den Gemeinden über die Landkreise hin zu den Kantonen oder Bundesländern über die nationale, europäische und schließlich internationale Ebene. Das heißt auch, dass es etwa die Schublade ,die Politik’ nicht gibt. Seitens der HRK haben wir uns dafür eingesetzt, der Bundesebene in Bern und Berlin die Alltagsrealität und damit die menschliche und wirtschaftliche Bedeutung offener Grenzen hier in der Region klarzumachen.

 

BZ: Welche Projekte stehen künftig an?

Edmeier: Gemeinsam mit dem Staatsministerium und dem Schweizer Generalkonsulat in Stuttgart planen wir gerade digitale Bürgerdialoge, um aus der aktuellen Lage zu lernen. Es gibt viele grenzüberschreitende Themen, die uns die Pandemie vor Augen führt, wie die Trennung von Familien während der Grenzschließungen. Um den lokalen Tourismus zu stärken, rüsten wir gerade unsere Webseite um und stellen die vielen tolle Ausflugsideen zusammen: ob die Region um Aargau, Schaffhausen, Zürich, Lörrach oder Waldshut – wir leben ja glücklicherweise an einem schönen Flecken Erde, den man nun intensiv erkunden kann.

 

Zur Person: Vanessa Edmeier (32) lebt in Karsau. Sie ist seit 2015 Geschäftsführerin der Hochrheinkommission.

 

Hochrheinkommission

Die Hochrheinkommission (HRK) ist eine partnerschaftliche Einrichtung zur weiteren Intensivierung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit am Hochrhein. Partner der HRK sind die Kantone Aargau und Schaffhausen, das Land Baden-Württemberg, die Landkreise Lörrach und Waldshut, der Regionalverband Hochrhein-Bodensee und die Planungsverbände Fricktal Regio und ZurzibietRegio.

 

 

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