Ach­tung Fett­näpf­chen

Teil 1: Fokus Schweiz

Interkulturelle Kompetenz zwischen Deutschland und der Schweiz – braucht es das? Auf den ersten Blick keineswegs. In den Deutschschweizer Kantonen und im süddeutschen Raum wird wahlweise Dialekt oder Hochdeutsch gesprochen. Die Region verbindet eine gemeinsame Geschichte und Kultur. Und dennoch: immer wieder entdecken wir große und kleine Stolpersteine im Umgang miteinander.

Kleiner Test zum Einstieg

Wieso sagt man in der Schweiz nicht zu jedem „Tschüss“?

(Die Lösung finden Sie weiter unten auf dieser Seite.)

Wichtiger Hinweis

Dieser kleine Fettnäpfchen-​Guide hat das Ziel, humoristisch und zugespitzt das Bewusstsein für interkulturelle Unterschiede zwischen Deutschland und der Schweiz zu wecken. Natürlich sind alle Projekte und Personen zu diesem Zweck erfunden. Vielleicht läuft das eine oder andere grenzüberschreitende Projekt dadurch in gezielteren Bahnen. Selbstverständlich gilt im Alltag der Grundsatz, jeden Menschen differenziert und individuell zu betrachten.

Die Schweizer“ und „die Deutschen“ gibt es nicht – Unterschiede in der Kommunikation jedoch schon.

»SIE SEHEN GLEICH AUS, ABER SIE VERHALTEN SICH ANDERS.«

Die Schweizer Autorin Susann Sitzler über Deutsche

Vorsicht bei Kritik

Deutsche drücken sich im Vergleich zu Schweizern häufiger direkt, punktgenau und oft auch hart aus. Dies kann von einem Schweizer als persönliche Beleidigung empfunden werden und wäre für die weitere Zusammenarbeit eher hinderlich.

Beispiel

Ein deutsch-​schweizerisches Team plant eine grenzüberschreitende Veranstaltung. Ein Teammitglied reagiert wenig auf Anrufe und liefert die erwarteten Planungen nicht zum vereinbarten Termin, obwohl es mehrfach daran erinnert wird.

Wie sehen mögliche Reaktionen einer Projektleitung aus Deutschland oder aus der Schweiz aus?

Kritik einer Schweizer Projektleitung

Frau Müller, besten Dank für die Ausführungen zum Projektstand am letzten Treffen. Wir freuen uns über unsere gemeinsame Veranstaltung und würden nun gerne den nächsten Schritt gehen. Dürfte ich mich erkundigen, bis wann die entsprechenden Unterlagen bei uns eingehen könnten?

Kritik einer deutschen Projektleitung

Frau Müller, wir haben Sie bereits mehrfach darauf aufmerksam gemacht, dass wir die Unterlagen bis Mitte des Monats brauchen. Wir warten immer noch darauf, wo liegt das Problem?

Te­le­fo­nie­ren in der Schweiz? Aber rich­tig!

Finden Sie die Unterschiede!

Wir stellen Ihnen hier zwei klassische Telefonate in Deutschland und der Schweiz gegenüber.

Finden Sie alle Unterschiede?

Telefonat in der Schweiz

Tunnelbau Fricktal AG, Thöni am Apparat. Wie darf ich Ihnen helfen?

Guten Tag Frau Thöni, hier spricht Inglin von der Rheinfall AG in Neuhausen.

Guten Tag Herr Inglin.

Guten Tag Frau Thöni. Frau Thöni, dürfte ich Herrn Frei einmal sprechen?

Gern, Herr Inglin. Wenn Sie bitte einen Moment warten könnten, verbinde ich Sie gerne.

Besten Dank, Frau Thöni.

Gerne, Herr Inglin. Aufwiederhören und einen schönen Tag.

Vielen Dank, Frau Thöni. Ade und ebenfalls einen schönen Tag.

Telefonat in Deutschland

Brückenbau Hochrhein AG, Müller am Telefon. Wie kann ich Ihnen helfen?

Guten Tag, hier Meier von der Firma Schwab. Ist die Frau Warmbrunn zu sprechen?

Ja, einen Moment bitte, ich verbinde.

Besten Dank und einen schönen Tag.

Danke, Ihnen auch, tschüss.

Auf­lö­sung der Un­ter­schie­de

Der Konjunktiv ist wichtig

Möchte man etwas von seinem Gegenüber, ist das ein Wunsch, der erfüllt werden kann – oder auch nicht. „Wie darf ich Ihnen helfen“ oder „dürfte ich Herrn Inglin sprechen“. Mit dieser indirekten Formulierung drückt der Fragende Respekt und Höflichkeit aus.

Eine Pause nach dem ersten Satz

Wenn sich der Anrufer in der Schweiz vorgestellt hat, folgt immer eine Pause. Diese nutzt der Angerufene, um den Anrufer persönlich zu begrüßen „Guten Tag, Herr Inglin“.

Den Namen nutzen

In der Schweiz benutzt man den Namen viel häufiger als in Deutschland. Dadurch kann das Gespräch persönlicher und verbundener wirken.

Bitte und Danke

Die Höflichkeitsformen gehören natürlich auch in Deutschland zum guten Ton. In der Schweiz werden sie im Zweifel aber lieber einmal zu viel als zu wenig verwendet.

Verabschiedung

Auch telefonisch gilt, dass die Grußformel zum Abschied „Ade“, „Aufwiederhören“ oder dergleichen lautet; „tschüss“ verwenden Schweizer nur, wenn man per Du ist bzw. eine engere Freundschaft pflegt.

Kleiner Tipp für E-​Mails

Seien Sie sparsam mit ! Ausrufezeichen. Diese könnten auf Schweizer aufdringlich und befehlend wirken. Verwenden Sie „!“ am besten nur, wenn man sich gut kennt.

Literaturtipps

  • „Grüezi und Willkommen – Die Schweiz für Deutsche“ (Ch.Links) von Susann Sitzler
  • „Grüezi Gummihälse – wieso uns die Deutschen manchmal auf die Nerven gehen“ (rororo) von Bruno Ziauddin
  • „Beruflich in der Schweiz“ (Vandenhoeck & Ruprecht) von Tina Lechner und Alexander Thomas

Auflösung

Tschüss ist als Verabschiedungsformel in der Schweiz zwar gebräuchlich, aber vor allem im privaten und freundschaftlichen Umgang. Benutzt man es im beruflichen Kontext, kann es in der Schweiz anecken, frei nach dem Motto: „Wieso sagt der jetzt Tschüss zu mir, so gut kennen wir uns doch noch nicht“. Im professionellen Umgang werden Sie in der Schweiz daher vor allem mit „Ade“, „Auf Wiedersehen“ oder Französisch inspiriert mit „Adjöö!“ verabschiedet werden. „Freunde“ betiteln die Schweizer übrigens gerne auch als „Kollegen“, was in Deutschland wiederum für Verwunderung sorgen kann. Denn dort benutzt man das Wort „Kollegen“ üblicherweise nur im Sinne des „Arbeitskollegen“.